<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> Einleitung. XI <lb/>
Aus den Sagen heben wir diejenigen der Dialen hervor. Was vom <lb/>
unglücklichen Liebhaber erzählt wird, ist wohl nichts anderes als eine dunkle <lb/>
Erinnerung an die Katzenopfer, die man den Unterirdischen brachte. Die <lb/>
Sprüchwörter und sprüchwörtlichen Redensarten enthalten manches Originelle, <lb/>
was wir in den anderen rätoromanischen Tälern nicht fanden. So hat sich <lb/>
in einem Sprüchwort der malom erhalten, der neben der „malura“ zu <lb/>
der ältesten Schicht der rätoromanischen Folklore gehört. Wenn das <lb/>
münsterische Kinderlied das Brot aus Meran holt, woher ein altes oberländisches <lb/>
… Lied den Safran kommen lässt, so stammt dies offenbar aus <lb/>
ferner Zeit, da der Markt von Meran, der gewiss aus Oberrätien zahlreich <lb/>
besucht wurde, einen Weltruf genoss. <lb/>
Einen uralten, an den surselvischen <lb/>
Kinderspruch: „praula maula“ erinnernden <lb/>
… Märchenschluss bietet Nr. XXXV, der uns von jenem Märchenschatz <lb/>
erzählt, den eine Generation der anderen in der rätoromanischen Ostmark überlieferte. <lb/>
… In der gereimten Erzählung Nr. LV hat sich ein Lügenmärchen <lb/>
erhalten, ein Seitenstück zur mendosa cantilena, die auch bei den Rätoromanen <lb/>
… üppige, lose Blüten trieb. Von den Segen- und Fluchworten, denen, <lb/>
in feierlicher Weise ausgesprochen, das Altertum eine wundersame Kraft <lb/>
zutraute, haben sich bei den Rätoromanen nur wenige in neuerem Gewande <lb/>
erhalten. Um so wertvoller sind Nr. LI, LII, LIII unserer münsterischen <lb/>
Sammlung, alte Formeln des Heilbittens und der neben dem bösen Blick <lb/>
von den Rätoromanen so gefürchteten Verwünschungen. <lb/>
Da die Volkslieder meistens engadinisch gesungen wurden, bieten wir <lb/>
die religiösen Volkslieder von Münster, die hier zum erstenmale gesammelt <lb/>
vorliegen. Von den Sitten und Gebräuchen verdient die Art, wie das <lb/>
St. Johannisfest gefeiert wurde, besondere Beachtung; es ist wohl der letzte <lb/>
Rest der frohen Feier zu Ehren des Sonnengottes. <lb/>
Alt sind die Hochzeitsreden und Trinksprüche des inneren Terzals. <lb/>
Einzelne Andeutungen in den ersteren weisen auf eine Zeit zurück, da der <lb/>
Bräutigam mit Hilfe der bewaffneten Genossen die Braut ihrer früheren <lb/>
Heimat entführte. Der fragliche Teil der Hochzeitsreden führt wohl auf <lb/>
jene rätische Hochzeitsfeier zurück, wo man nach der Weise des uralten <lb/>
Liedes: „Ad eira ün pasçheder chi giaiva pasçhand“ den frohen Reigen tanzte. <lb/>
Im Schluss der Antwort auf die Forderung, die Braut soll zum Kirchgang <lb/>
erscheinen, haben wir eine deutliche Erinnerung an den alten Brauch, eine <lb/>
falsche Braut zu unterschieben, der, wie es scheint, in ganz Bünden geübt <lb/>
wurde und von dem sich noch im 18. Jahrhundert in Schams Spuren erhalten <lb/>
… haben. So bedeuten diese Reden aus dem Grenztal einen wertvollen <lb/>
Beitrag zur Geschichte der Hochzeitssitten bei den Rätoromanen. </body> </text></TEI>