Band: X

Seite: VIII Zur Bandauswahl

In Band X liegen die Seitenzahlen zwischen I und 777.
VIII Einleitung.
wo nach dem Liede von der schönen Nesa weder Rübe noch Blatt gedeiht.
Unter den Liebesliedern nennen wir das Klagelied des Burschen, dem der
böse Gefährte seine Geliebte weggenommen hat, eines der schönsten Volkslieder
… der Rätoromanen. Die oberhalbsteinische Version: „Tgi ègl chi giu,
tgi petga?“ und jenes andere: „Giatgen pitschen digl tgo plat“, welche,
wie Inhalt uud Weise zeigen, weit in das Mittelalter zurückgehen, bestätigen
die Vermutung, die Gaston Paris mit divinatorischem Blick aus der Sammlung
… von Alfons Flugi herausgelesen hat, dass nämlich gerade die ältesten
Volkslieder allen Tälern gemeinsam sein müssen.
Auch das
Lied: „Ura se a pastar bagn“ offenbar ein Spottlied aus
einer Zeit, da die Lieder von der Tierhochzeit noch allgemein bekannt
waren, können wir zu den ältesten uns erhaltenen Volksliedern rechnen.
Von der Veränderung, welche die Lieder im Laufe der kulturellen Entwickelung
… eines Volkes machen, erzählt uns Lied 18a. Die Art, wie vom
Soldaten, der an die Stelle des Knechtes tritt, gesprochen wird, spielt auf die
losen Werbetänze an, zu denen die Jugend an den Werbetagen hinströmte.
Zahlreich sind die Dreikönigslieder, älter das Wunschlied, das die
Burschen in der Altjahrsnacht vor den Häusern sangen. Das Lied, in dem
die Braut vom väterlichen Hause Abschied nimmt, gestaltet sich zu einem
Klageliede; einzig bei den russischen Hochzeitsliedern finden wir den herben
Schmerz des Abschiedes und die Angst vor der neuen Familie, in welche
die Braut eintritt, so anschaulich geschildert wie im Rätoromanischen.
Als Anhang zu den zahlreichen interessanten Beiträgen zur Volksmedizin
… wird ein Verzeichnis von romanischen Blumennamen geboten. Bei
denselben haben die Lieblingsheiligen und der Hexenglauben deutliche
Spuren zurückgelassen.
Wir waren bei unserer Sammlung auf die Hilfe des Volkes angewiesen,
… die uns auch nicht versagt wurde. Wie rasch gerade die ältesten
und darum schwer verständlichen Lieder und Sprüche verloren gehen, davon
könnte uns die schmerzliche Wahrnehmung überzeugen, dass die fleissigsten
und glücklichsten Sammlerinnen jene Volkslieder und Sprüche, die wir in der
Mitte der 80er Jahre entdeckt, nicht mehr fanden. Um so herzlicher sei
hier den zahlreichen Frauen, die uns mit gütiger und glücklicher Hand
beim Sammeln halfen, Dank ausgesprochen.
Herr Dr. Grisch, der gründliche Kenner der Archive von Sur- und
Sutsess, hat uns unermüdlich und in selbstloser Weise bei unseren Forschungen
unterstützt und die schwierige Aufgabe übernommen, die Weisen der
Volkslieder zu sammeln.
Hochw. Herr P. Ursicin Simeon, Kapitular von Disentis, dessen
Orthographie wir angenommen haben, hat von jedem Bogen wenigstens eine
<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> VIII Einleitung. <lb/>
wo nach dem Liede von der schönen Nesa weder Rübe noch Blatt gedeiht. <lb/>
Unter den Liebesliedern nennen wir das Klagelied des Burschen, dem der <lb/>
böse Gefährte seine Geliebte weggenommen hat, eines der schönsten Volkslieder <lb/>
… der Rätoromanen. Die oberhalbsteinische Version: „Tgi ègl chi giu, <lb/>
tgi petga?“ und jenes andere: „Giatgen pitschen digl tgo plat“, welche, <lb/>
wie Inhalt uud Weise zeigen, weit in das Mittelalter zurückgehen, bestätigen <lb/>
die Vermutung, die Gaston Paris mit divinatorischem Blick aus der Sammlung <lb/>
… von Alfons Flugi herausgelesen hat, dass nämlich gerade die ältesten <lb/>
Volkslieder allen Tälern gemeinsam sein müssen. <lb/>
Auch das <lb/>
Lied: „Ura se a pastar bagn“ offenbar ein Spottlied aus <lb/>
einer Zeit, da die Lieder von der Tierhochzeit noch allgemein bekannt <lb/>
waren, können wir zu den ältesten uns erhaltenen Volksliedern rechnen. <lb/>
Von der Veränderung, welche die Lieder im Laufe der kulturellen Entwickelung <lb/>
… eines Volkes machen, erzählt uns Lied 18a. Die Art, wie vom <lb/>
Soldaten, der an die Stelle des Knechtes tritt, gesprochen wird, spielt auf die <lb/>
losen Werbetänze an, zu denen die Jugend an den Werbetagen hinströmte. <lb/>
Zahlreich sind die Dreikönigslieder, älter das Wunschlied, das die <lb/>
Burschen in der Altjahrsnacht vor den Häusern sangen. Das Lied, in dem <lb/>
die Braut vom väterlichen Hause Abschied nimmt, gestaltet sich zu einem <lb/>
Klageliede; einzig bei den russischen Hochzeitsliedern finden wir den herben <lb/>
Schmerz des Abschiedes und die Angst vor der neuen Familie, in welche <lb/>
die Braut eintritt, so anschaulich geschildert wie im Rätoromanischen. <lb/>
Als Anhang zu den zahlreichen interessanten Beiträgen zur Volksmedizin <lb/>
… wird ein Verzeichnis von romanischen Blumennamen geboten. Bei <lb/>
denselben haben die Lieblingsheiligen und der Hexenglauben deutliche <lb/>
Spuren zurückgelassen. <lb/>
Wir waren bei unserer Sammlung auf die Hilfe des Volkes angewiesen, <lb/>
… die uns auch nicht versagt wurde. Wie rasch gerade die ältesten <lb/>
und darum schwer verständlichen Lieder und Sprüche verloren gehen, davon <lb/>
könnte uns die schmerzliche Wahrnehmung überzeugen, dass die fleissigsten <lb/>
und glücklichsten Sammlerinnen jene Volkslieder und Sprüche, die wir in der <lb/>
Mitte der 80er Jahre entdeckt, nicht mehr fanden. Um so herzlicher sei <lb/>
hier den zahlreichen Frauen, die uns mit gütiger und glücklicher Hand <lb/>
beim Sammeln halfen, Dank ausgesprochen. <lb/>
Herr Dr. Grisch, der gründliche Kenner der Archive von Sur- und <lb/>
Sutsess, hat uns unermüdlich und in selbstloser Weise bei unseren Forschungen <lb/>
unterstützt und die schwierige Aufgabe übernommen, die Weisen der <lb/>
Volkslieder zu sammeln. <lb/>
Hochw. Herr P. Ursicin Simeon, Kapitular von Disentis, dessen <lb/>
Orthographie wir angenommen haben, hat von jedem Bogen wenigstens eine </body> </text></TEI>