Band: X

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In Band X liegen die Seitenzahlen zwischen I und 777.
Einleitung.
IX
Korrektur gelesen. Seine genaue Kenntnis der Dialekte der einzelnen
Gemeinden von Sur- und Sutsess machte es dem verdienten Forscher möglich,
… eine gewisse Einheit in die graphische Darstellung der in verschiedenen
Gemeinden gesammelten folkloristischen Texte zu bringen.
Gerade im Oberhalbstein verschwindet Sage und Lied, Spruch und
Rätsel infolge der veränderten ökonomischen Verhältnisse unheimlich rasch.
In einem Vierteljahrhundert wird ein Forscher auf dem Gebiete der Folklore
wenig oder nichts mehr finden, wie wir aus einem Vergleiche unserer
Sammlung aus der Mitte der 80er Jahre und der aus späterer Zeit
schliessen dürfen.
Mit dieser nicht sehr tröstlichen Wahrnehmung wenden wir uns dem
Münstertal zu, dessen mittelalterliche Geschichte mit derjenigen des adligen
Frauenstiftes Münster, das die Herrschaft über das Tal besass, zusammenfällt.
… Während des ganzen 15. Jahrhunderts litten Kloster und Landschaft
unter den Kämpfen zwischen den Bischöfen von Chur und den Herzögen
von Österreich, später unter dem Schwabenkriege.
Die Männer des Hochgerichtes Münster beteiligten sich eifrigst an
den harten Kämpfen mit dem Reich, aus denen die Selbständigkeit der
drei Bünde erwuchs.
An der Überlieferung, die immer wieder von den glorreichen Tagen
erzählte, bildete sich die patriotische Begeisterung des späteren Simon Lemnius.
Dieser typische Vertreter des älteren Humanismus verherrlichte in seiner
Epopöe „Rhäteis“ den Heldenkampf der Ahnen. Aus den klassischen
lateinischen Versen spricht das gleiche stolze Selbstbewusstsein, das den
Staatsmann Johannes Travers das Lied vom Müsserkriege singen liess.
Der geniale Humanist und der energische Staatsmann sind Träger
desselben bündnerischen Staatsgedankens, an den sich so freudige und
weitgehende Hoffnungen knüpften.
Die Talgemeinde Münster hatte sich bereits in Gemeinden und Höfe
aufgelöst und das Hochgericht gleichen Namens hatte sich jene Verfassung
gegeben, die bis in die 30er Jahre hinunter fortdauerte, als Philipp Galizius
die Reformation in seiner Heimat verkündete. Die zwölf Artikel der
deutschen Bauern sind durch Beschluss des Bundestages in Ilanz zum Grundsatz
… der drei Bünde geworden, die Mehrheit entschied in den souveränen
Gemeinden endgültig über den Glauben, was uns die bewegten religiös -
patriotischen Kämpfe des 16. und 17. Jahrhunderts in Bünden erklärt.
Der Kampf für und wider die Reformation trug etwas von der gewaltigen
wilden Natur der Berglandschaft, in der er durchgeführt wurde, an sich.
Münster blieb dem alten Glauben treu, während sich die inneren Gemeinden
für die neue Lehre entschieden. Letztere Gemeinden entnahmen mit der
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