Band: X

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In Band X liegen die Seitenzahlen zwischen I und 777.
VI Einleitung.
wurde. Nur ausnahmsweise wurden Schriften in der oberhalbsteinischen
Mundart verfasst.
Einen bemerkenswerten Versuch im oberhalbsteinischen Dialekt zu
schreiben, bilden die Protokolle des Hexenprozesses des Hochgerichtes
Bivio und Stalla, welche Gemeinden bereits im 15. Jahrhundert einen
eigenen Ammann besassen, der in Streitigkeiten bis zu 25 Plapart entschied.
Wir hielten es für billig, die interessantesten der von Kapuzinern
geschriebenen Katechismen vollständig wiederzugeben. Der Katechismus
von 1755 verdient es, vom kulturhistorischen Standpunkt aus besonders
gewürdigt zu werden.
Die souveräne Stellung des Hochgerichtes Oberhalbstein erklärt uns
die verhaltnismässig reichen Rechtsdenkmäler, die im 18. Jahrhundert
eine romanische Redaktion fanden. Wir glauben auch, die jüngere Redaktion
des Weistums des Hochgerichtes Obervaz sei bemerkenswert und verdiene
eine Wiedergabe in unserer Chrestomathie in ihrer subsettischen Übersetzung.
… Gerade in dieser Übertragung liegt das Wertvolle für die Wirtschaftsgeschichte
… der Rätoromanen.
Die wenigen romanischen Dokumente über die Bergpässe und die
Rechte der beteiligten Gemeinden bedeuten einen bemerkenswerten Beitrag
zu einer späteren Geschichte des Strassenwesens der Republik der drei Bünde.
Wenn ein venezianischer Gesandte im 17. Jahrhundert von den Rätoromanen
… rühmt, dass sie ein emsiges Bestreben bekunden, ihrer Jugend
eine möglichst gute Ausbilduug zu verschaffen, so finden wir es natürlich,
dass auch das Oberhalbstein seine eigenen Schulbücher hat.
Es verwunderte sich Suchard mit Recht, dass das intelligente und
ökonomisch hochstehende Volk von Wales keine Schulbücher in der keltischen
Muttersprache besitze, während bei den Rätoromanen selbst kleine Fraktionen
wie das Oberhalbstein solche hätten.
Für die grossen Ereignisse der Weltgeschichte war das Oberhalbstein
… durchaus kein verlorener Winkel. So gibt der Geistliche Pedretti
einen Auszug des „Contract social“ und bekundet seine Sympathie für die
Ideen dieses Evangeliums der Staatsumwälzung, während der Gemeindevorsteher
… von Savognin in treuherziger Weise seine Aufzeichnungen von
jenen traurigen Tagen macht, da französische und österreichische Truppen
im Kampfe für die neue und alte Zeit auch das Oberhalbstein besetzten.
Ganz schweigen durfte auch die Muse nicht. Aus den Dichtungen
des Gion Battista Pool tönt jene tiefe Melancholie des Söldners heraus,
der seiner lieben Heimat auch in der Fremde gedenkt, während Rudolf Lanz
uns ein treues, anschauliches Idyll einer Hochzeit in Bivio darbietet.
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