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Nachwort
Sobald ein Herausgeber sich nicht entschliesst jede Abweichung eines
Textes vom andern, auch die unbedeutendste und scheinbar sinnloseste, mitzutheilen,
… trägt er das Element der Willkür in den kritischen Apparat
hinein, den er gibt. Es existirt kein objectives Kriterium, das ihn bei
einer Auswahl in jedem Falle sicher leite. Auch die Unterscheidung in
sogenannte graphische und Sinn - Varianten ist weder ausreichend noch lässt
sie sich strenge ziehen.
Der Zweck dieses Buches verlangte die Mittheilung einer vollständigen
varia lectio nicht, und die Rücksicht auf den Raum verbot dieselbe.
Die varia lectio, die in einer solchen Chrestomathie gegeben wird,
dient offenbar rein dem Lehrzweck. Sie ist ein Mittel des philologischen
Unterrichts, und in dieser methodischen Aufgabe lag für mich das subjective
… … … Kriterium, nach welchem ich die Auswahl der Lesarten traf. Es
scheint mir Pflicht des Herausgebers über dasselbe eingehendere Auskunft
zu geben:
Augenscheinliche Schreibfehler sind übergangen. In die manigfachen
Schwankungen der rätischen Graphie erhält der Leser meist innerhalb eines
und desselben Stückes einen Einblick. Er wird vollends mit derselben vertraut
… werden bei der Vergleichung der Parallelabdrücke einzelner Denkmäler,
… deren in den späteren Lieferungen mehrere gegeben werden sollen.
Diejenigen Schwankungen, denen nach dem dermaligen Standpunkt unseres
Wissens keine oder wenigstens keine verwerthbare phonetische Differenz zu
Grunde liegt (z. B. die ungemein häufige Abweichung in der Worttrennung;
weiter Schwaukungen wie: fag — fatg — faig faitg; igl — ilg — il;
paug — pauc; dues — duesi — duess; de — da; et — e — … a;
che ein — che en — ch' ein — ch' en; veng — veng — vein; eunc —
eung — aunc — aung; vartit — vartid — vartidt — wartid etc. etc.)
sind demnach in der varia lectio unberücksichtigt gelassen. Einige diese
Punkte beschlagende Angaben, die einzelnen Handschriften betreffend,
finden sich in einer Anmerkung an der Spitze der variæ lectiones. Ueberdies
… sind die manchmal recht umfänglichen Lesarten genau in der Graphie
der einzelnen Handschriften wiedergegeben, sodass das graphische Bild der
einzelnen Mss. da ist.
Von den graphischen Schwankungen, die zugleich eine phonetische
Differenz, aber auch weiter nichts, involviren, sind diejenigen, welche besonderes
… Interesse erwecken, entweder konsequent mitgetheilt (di — gi;
curtin — curtgin; in — ün; custa — cuosta; Muster — Muste)
oder in der Anmerkung an der Spitze der varia lectio erwähnt (z. B. die
Reduktion eines vortonigen a zu i: chischun — caschun). Die Schwankungen
… in der Schreibung rätischer Eigennamen (Lumneza — Lumnezia —
Lungnetzia) und deutscher, ins rätische Lexicon übergangener Wörter
(krefftig — kröfti) sind notirt; die Ersetzung rätischer Eigennamen
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