IX Einleitung.
In seinem Beginne trägt das siebenzehnte Jahrhundert dasselbe Gepräge
… wie das ausgehende sechzehnte: die geistige Arbeit wird im Interesse
der religiösen Bewegung emsig fortgesetzt; protestantische Lehre und protestantischer
… Kultus schlagen tiefere Wurzeln im Engadinervolke, und
protestantischer Geist regt sich kraftvoll bis zur Gewaltsamkeit in Religion
und Politik. Dann aber ruft das blutige Strafgerieht von Thusis einer
Reaktion, die mit ihrer Sturmflut das Gefüge rätischen Staatswesens bis
auf den Grund erschüttert und im besondern die Freiheit des Engadins
zu begraben droht. Der todesfreudige Heldenmut des Volkes und die
rücksicktslose Tatkraft eines Jörg Jenatsch geben dem Lande seine
Selbständigkeit wieder.
Was religiös und politisch diese Zeit bewegt: Reformation nnd Gegenreformation,
… kommt im Liede wie im Gebet zum Ausdruck. Das Lied
vom Untergange von Plurs, die Dedikation des Gebetbuches von Peter
Schalchett an seine Tante, der Brief von Jenatsch, der ergreifende Nachruf
des Clau Thunet Vuolp auf die treue Gefährtin seines Exils sind ebenso
viele kostbare Zeugen des Empfindens jener Tage.
Es ist oft genug ein leidenschaftliches Empfinden, und leidenschaftlich
polemisch ist vielfach die Literatur, die diesem Empfinden entsprungen.
Wir verstehen sie, wenn wir uns gegenwärtig halten, dass so manches
Buch mitten im Kampfe oder in bitterer Erinnerung an ihn geschrieben
worden ist. Einem Autor, der eben erst die Feder mit dem Schwerte
vertauscht hat oder fern von der Heimat das Brot der Verbannung isst,
werden wir ein hartes Wort nicht allzu hoch anrechnen.
Mit dem Frieden regt sich im Schirm der neu errungenen Freiheit
wieder freudige Schaffenslust. Da entstehen die kernigen Lieder des
Johannes ex Martinis, die zum Besten gehören, was die Literatur der Rätoromanen
… überhaupt hervorgebracht hat. Als Resultat einer Arbeit von
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