<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> V Einleitung. <lb/>
Nach den gewaltigen Kämpfen, welche die Glaubenstrennung hervorgerufen <lb/>
… hatte, dem erregten Parteileben und den blutigen Strafgerichten <lb/>
des 16. und 17. Jahrhunderts folgte eine Periode der Erschöpfung und der <lb/>
Ruhe. Die beiden Glaubensparteien verblieben in dem Besitzstand, wie er <lb/>
um die Mttte des 17. Jahrhunderts ausgemarktet worden. Die konfessionell <lb/>
einheitlichen Hochgerichte, protestantische wie katholische, bestraften den <lb/>
Übertritt zum anderen Glauben mit Verbannung. In den gemischten Gemeinden <lb/>
… und Hochgerichten waren die beiderseitigen Rechte durch Urteil <lb/>
oder Herkommen wohl ausgeschieden, und man beschränkte sich hüben und <lb/>
drüben darauf, eifersüchtig über seinen Teil an Recht und Besitz zu wachen. <lb/>
Eine genau umschriebene Parität regelte das religiöse und politische Leben <lb/>
Graubündens im 18. Jahrhundert. An die Stelle der gewaltigen Leidenschaften <lb/>
… und der scharf ausgesprochenen ganzen Charaktere waren behutsame <lb/>
… Ruhe und diplomatisch berechnende Männer getreten. <lb/>
Trotz der absoluten Demokratie übten die adeligen Familien einen <lb/>
massgebenden Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten aus, und der <lb/>
Ton, den die Autoren in ihren Dedikationen an die gnädigen Herren anschlagen, <lb/>
… zeigt, dass das demokratische Gefühl, das in den Strafgerichten <lb/>
seine Orgien gefeiert hatte, nun ein sehr gedämpftes war. Wenn hie und <lb/>
da, wie im Marniahandel, die Volkswut entfesselt wird, so fehlt jener Zug <lb/>
ins Grosse, der die blutigen Taten der vorigen Jahrhunderte für unser <lb/>
Gefühl etwas erträglicher macht. <lb/>
Aber trotz allem blieb etwas vom alträtischen Geist und vom Bewusstsein <lb/>
… dessen, was man an dem Erbe der Vergangenheit besass. Wohl fanden <lb/>
die Ideen der Aufklärung auch in Graubünden begeisterte Anhänger. Aber <lb/>
die Männer von „alt fry Rätien“, wo Freiheit und Gleichheit in dem Boden <lb/>
eines reichen Gemeineigentums wurzelten, glaubten der fränkischen Freiheitsbäume <lb/>
… entbehren zu können, und trotz des Anschlusses an die helvetische <lb/>
Republik wurde nach kurzer Zeit die alte Ordnung, wie sie vor dem Einfall <lb/>
… der Franzosen bestanden hatte, in Graubünden wiederhergestellt. So <lb/>
kann das kulturelle Leben des Engadins bis zu den dreissiger Jahren des <lb/>
19. Jahrhunderts als eine Fortsetzung des 18. bezeichnet werden. Religiöses <lb/>
und politisches Denken, Sitte und Brauch, Leben und Lebensgewohnheiten <lb/>
sind während des langen Zeitraumes von 1700 bis 1830 im wesentlichen <lb/>
gleich geblieben. Wir hätten denn auch in diesem Bande unsere Sammlung <lb/>
bis zu letzterem Zeitpunkte (1830) geführt, wenn nicht damit der Umfang <lb/>
des Bandes ein zu grosser geworden wäre. </body> </text></TEI>