Einleitung.
VII
Interessenten steht andere Literatur 1) zu Gebote; wir schildern seine
literarische Tätigkeit, insoferne sie mit der rätoromanischen Literatur, Geschichte
… und Volkskunde in Verbindung steht.
Als 17jähriger Student der Kantonsschule in Chur veröffentlichte
Decurtins in der Zeitung „La Ligia Grischa“, Chur, VIII. Jahrg. 1873
Nr. 1 und 2 eine
Studie: „Sur dellas detgas, ils usits e la poesia dils
Sursilvans“ 2). Die Zeitung mußte ihr Erscheinen einstellen, worauf die
vermehrte Neuauflage und Fortsetzung in deutscher Fassung im Feuille de
la Société de Zofingue, Lausanne, Imprimenie Howard - Delisle, 1873, Nr. 6,
7, 8 unter dem Titel „Über Sage und Volksdichtung des romanischen Oberlandes“
… erschien. Es ist eine temperamentvolle, von nationaler Begeisterung
… getragene Jugendarbeit, die bereits von einer außergewöhnlichen Beherrschung
… der folkloristischen Literatur zeugt. Er hatte besonders Simrock 3),
… Handbuch der deutschen Mythologie und Edda fleißig studiert.
Sein Oberländer Volk schildert er: „Uralten Stammes, kecken Geistes,
starken Leibes, mutigen Herzens blickt es siegessicher in die Grefahr und
weicht nicht, wenn die Lawine herabdonnert und die Ströme verheerend
über ihr Bett zu treten suchen. Diesem ehernen Volksstamm geht über
alles die Freiheit und von diesem stolzen Geiste reden die Trümmer der
Burgen, helleuchtend im Abendsonnenstrahl.“ Vom Volkslied sagt er: „So
kräftig und frisch, wie die Volkssage dem Bronnen der ewig jungen Natur
und der eigenen Brust entquoll, ganz so entstand das romanische Volkslied.
… Ist doch das Volkslied im Grunde nichts anders, als ein verständnisvolles
… Ablauschen der tiefsten Naturtöne und der geheimsten Schläge des
menschlichen Herzens. Gewaltig, wie der Sturm durch die Schluchten fährt
und die Riesentanne knickt, einem schwachen Halme gleich, also rauscht
das Kriegslied eines Gebirgsvolkes, wenn freche Hände das Heiligtum des
Heimatlandes anzutasten wagen.“ Decurtins hat damals wohl manche gewagte
… Hypothesen aufgestellt und den germanischen Einfluß auf Märchen,
Sage und Volksdichtung der Rätoromanen etwas zu stark betont, unter
1)
Nationalrat Dr Caspar Decurtins von Christian Caminada im Bündn.
Monatsblatt 1916, Sprecher Eggerling, Chur; Erinnerungen an Dr. Caspar Decurtins
von Florin Berther, Paulus - Druckerei, Freiburg (Schweiz) 1916; Caspar Decurtins,
biographische Skizze von Dr. Leo Cavelti, Gossau 1917; Caspar Decurtins von
Dr. Paul Gigax, Univers. - Prof., Zeitschrift Wissen und Leben IX. Jahrg. 1916
S. 882 — Zürich, Druckerei Orell Füßli; Nuova Antologia, Roma, Quad. 1068.
2)
Findet sich im roman. Fragment in diesem Bande XII S. 287 — 291.
3)
Gedruckt in Bonn bei Adolf Markus 1869 und vom gleichen Verfasser Edda,
gedruckt in Stuttgart, Cotta 1851. Auch Achim von Arnim, Clemens Brentano und
die Brüder Grimm beeinflußten ihn mächtig, wie der romantische Zug und die
Zitate seiner Reden und Schriften beweisen.
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