Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
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La Passiun da Somvitg
Diese kampfbewegten Zeiten bekunden, dass die Demokratie im
Staate der drei Bünde keine leere Form war. Der Bauer, infolge des
grossen Gemeindeeigentums an Wald und Weide ökonomisch unabhängig,
war auf seine Freiheit stolz und hatte ein offenes Auge und ein warm schlagendes
Herz für alle politischen Fragen. Die Ausübung der Souvärenitätsrechte
von Generation zu Generation hatte dem rätischen Bauer eine politische
Schulung und Tüchtigkeit verliehen, die unsere Bewunderung erregt. Dieses
ausserordentliche Verständnis für die Fragen der Grosspolitik, dem wir
bei den damaligen Bauern begegnen, erklärt sich, wenn wir bedenken, mit
welchem Selbstbewusstsein der kleine Staat der drei Bünde mit den Grossmächten
Frankreich, Spanien und Venedig verkehrte.
Dazu kommt eine für unsere Zeit unmögliche und unglaubliche allgemeine
Teilnahme am Gerichtswesen. Die wenigen und einfachen Bestimmungen
der „Hochgerichtsstatuten“ machten es dem Bauer möglich,
im Volksgericht zu sitzen, um das die Väter jahrhundertelang gestritten
hatten; waren ja die bündnerischen Freiheitskriege ein Kampf um das
Recht, von den Volksgenossen gerichtet zu werden. Das erklärt uns nun
der Nuntiatur, den Landesprotokollen und Landesschriften besitzen wir zwei
gedruckte Darstellungen des Streites, die eine: „Kürtzlich / doch gründlich / und
wahrhaffter Bericht über die entzwischen dem Fürstlichen Gottshauss Dissentis
/ und der Ehrsamen Gmeind Brügels und übrigen mitthafften Gmeinden der
Löbl. Landschafft Dissentis obwaltende Zehent - Streittigkeit“ betitelt, stammt
offenbar aus dem Kloster. Der Verfasser hat die alten Urkunden sorgfältig
durchgesehen und gibt eine interessante historische Übersicht über die rechtliche
Stellung des Klosters zur Landschaft. Die Darstellung, die das Hochgericht
an die „Hochgeachtete Wohl - Edel gestrennge Fromme Fürsichtige wohlweise
getreue liebe Eyd- und Pundtsgenossen“ richtet, sucht den Beweis zu
führen, dass das Hochgericht nur zur Wahrung seiner Landeshoheit das „unparteiische
Gericht“ abweisen musste. Einige zeitgenössische Aufzeichnungen
von Interesse im Zehntenstreit enthält das Copialbuch der Schmid von
Grüneck.
Von den späteren Historikern hat nur J. A. von Sprecher in seiner „Geschichte
der Republik der drei Bünde“ den Zehntenstreit behandelt (I, 312 — 318).
Wenn der Verfasser sich dabei fragt, welche Stellung Medels eingenommen habe,
so übersieht er, dass diese Gemeinde nach der alten Einteilung mit der Gemeinde
Brigels zusammen einen der vier Höffe bildete. Das erklärt uns, warum
gerade dem Vertreter dieser Gemeinde, Statthalter Capeder, vom Bundstag der
Einsitz verweigert wurde.
La tiarza Cuort ei Breil, e Medel ensemen: Tier Breil vegnien dumbrai
Dardin, Danis e Davanasa: Tier Medel Curaglia, Mutschnengia, Plata, Accla,
Fuorns, S. Gion, Pali, e Soliva, Quella Cuort mett' era quater Giraus, dus de
Breil, e dus de Medel. Vgl. Bd. IV, p. 44, 1. 4 — 7.
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