Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
1 Vorwort.
Als wir vor bald vierzig Jahren eine Sammlung surselvischer Märchen
veröffentlichten, liessen wir unsere kurze Vorbemerkung also ausklingen:
„Die Märchen, etliche Volkslieder und einige Volksschauspiele bilden den
hauptsächlichen Poesiekreis der rätoromanischen Sprache.“ Späteres Forschen
und Suchen war nicht imstande, an dieser Ansicht etwas zu ändern.
Da nun, dank der eidgenössischen Unterstützung, die rätoromanische
Chrestomathie sich zu einer Sammlung der bedeutendsten nationalen Denkmäler
erweitert hat, schien es angezeigt, die Volksschauspiele vollständig
wiederzugeben; sind ja gerade sie ein dermassen bodenständiges Erzeugnis,
dass sich an ihm die geistigen, moralischen, rechtlichen und politischen
Anschauungen, wir möchten sagen, die Lebensquellen des Volkes offenbaren.
Dabei müssen wir in allererster Linie an das Somvixer Passionsspiel
denken, das wir geradezu einen Romanenspiegel nennen möchten,
gleich wichtig für die Kultur wie für die Literatur. Mit einer Treue und
einer Wahrheit, durch die des Lesers Verwunderung fast bis zum Erschrecken
gesteigert wird, schaut und spricht aus dem Passionsspiel neben und hinter
dem religiösen Moment etwas anderes mit aller Klarheit und Wucht zu
uns: das so reiche, so vielbewegte politische Leben des Volkes an den
Quellen des Rheins im 16., 17. und im beginnenden 18. Jahrhundert.
Ganz natürlich, dass ein solches Passionsspiel zum nationalsten und originellsten
Literaturbestand zählen muss; das Spiel selbst steht unter den
anderen religiösen Spielen erhobenen Hauptes und trotziger Stirne, ähnlich
dem kleinen Alpenvolke, dessen liebes und stolzes Besitztum es bildet.
Farbenprächtig und lebensvoll spiegelt sich im Passionsspiel jene grosse
Zeit wieder, in der die Männer, die über die Bündnerpässe zu verfügen
hatten, in der europäischen Politik noch eine Rolle spielten.
Ausnahmsweise geben wir zum Passionsspiel und den übrigen Stücken
eine Einleitung, in der wir es versuchen, Ursprung und Entwickelung des
Stückes nachzuweisen. Es schien uns an der Zeit zu sein, diesen Versuch
zu wagen; denn selbst heute, da die letzten Vertreter einer alten
von Geschlecht zu Geschlecht überlieferten Tradition noch leben, ist es
Romanische Forschungen XXXIII. 1
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