<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> Einleitung 5 <lb/>
Worte folgen wahrscheinlich derselben älteren Vorlage. Die Szenen, die <lb/>
Jesum vor den Hohenpriestern, vor Pilatus und Herodes behandeln, nehmen <lb/>
den übergrossen Teil des Passionsspieles ein. Wenn wir sie begreifen <lb/>
wollen, müssen wir einen Blick auf die Geschichte der Talgemeinde Disentis, <lb/>
des alten Hochgerichtes, werfen. <lb/>
Das vom Mönche Sigisbert gegründete Kloster Disentis wurde und <lb/>
blieb nicht nur das Zentrum des religiösen und geistigen Lebens überhaupt <lb/>
im Bündner Oberlande, sondern erwarb sich auch die Herrschaft, <lb/>
wie die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über die Talgemeinde Disentis <lb/>
vom Lukmanier und der Oberalp abwärts bis zur Ringgenberger Brücke. <lb/>
Nach der Ermordung des Abtes Jacob II. von Planaterra im Walde <lb/>
von Bargiera begann die Talgemeinde Disentis den Kampf um die politische <lb/>
Selbständigkeit und eigene Gerichtsbarkeit, der bereits am Ende des <lb/>
14. Jahrhunderts zugunsten der Gemeinden entschieden war. Die kluge <lb/>
und weitausschauende Politik des Disentiser Abtes Peter von Pontaningen <lb/>
gab unter dem Ahorn zu Truns 1424 der politischen Neubildung an den <lb/>
Quellen des Rheines <lb/>
im „grauen Bund“ eine feste Gestalt. Später verband <lb/>
sich der graue Bund mit der Stadt Chur und den freien Gemeinden <lb/>
an den Quellen des Inns, die sich zum Gotteshausbunde zusammengetan <lb/>
hatten, und mit den Gemeinden des Zehngerichtenbundes zum Staat der <lb/>
drei Bünde. Mit der jungen Eidgenossenschaft verbunden, schlugen die <lb/>
drei Bünde die Schlacht an der Calven, wodurch die staatliche Unabhängigkeit <lb/>
besiegelt und das trotzige Selbstbewusstsein gesteigert wurde. Dem <lb/>
Gefühle ihrer Kraft und kriegerischen Überlegenheit entsprang die Eroberung <lb/>
des Veltlins. Und da die karge Natur des Landes der rasch anwachsenden <lb/>
Bevölkerung den Unterhalt versagte, zog die kraftstrotzende <lb/>
Jugend in fremde Dienste. So finden wir im 16. Jahrhundert zahlreiche <lb/>
Bündner im Dienste Frankreichs und Spaniens, unter den Fahnen des <lb/>
Kaisers und der Republik Venedig. <lb/>
Als dann das 16. Jahrhundert die abendländische Glaubensspaltung … <lb/>
brachte, wurden die religiösen Kämpfe mit einem Ingrimm und einer <lb/>
Wildheit geführt, dass sich die rauhe und düstere Natur der Felsengebirge <lb/>
im geistigen Kampfe wiederzuspiegeln schien. Reformation und Gegenreformation <lb/>
wurden im eigentlichen Sinne Sache des Volkes, indem in <lb/>
jeder einzelnen, in Religionsangelegenheit souveränen Gemeinde der nicht <lb/>
selten blutige Streit ausgetragen wurde. <lb/>
Dazu gesellten sich die Kämpfe der Grossmächte um die Bergpässe, <lb/>
die dem Staate der drei Bünde eine internationale Bedeutung verliehen. <lb/>
Durch ihre Gesandten übten Österreich, Frankreich und Spanien, wie auch <lb/>
die Republik Venedig, die alle an ihre Anhänger reiche Pensionen verteilten, </body> </text></TEI>