<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> Blutrache und Sühneversuch 221 <lb/>
Untersuchung vorzunehmen. Drei Tage nachher wurde Herr Johann de <lb/>
Florin vorgeladen, angeklagt, untersucht und zu folgender Strafe verurteilt: <lb/>
… Herr Johann de Florin soll auf ein Jahr und einen Tag verbannt <lb/>
sein aus dem Lande ob dem <lb/>
Wald 1), <lb/>
jedoch mit der Einschränkung, daß <lb/>
es ihm erlaubt sei, in eigenen Angelegenheiten, oder um dem Abte Lucius <lb/>
Rechenschaftsbericht zu erstatten, nach Disentis zurückzukehren und sich <lb/>
dort zwei, drei oder auch vier Tage aufzuhalten. Er soll aber nur bei <lb/>
Halbdunkel kommen und bei Halbdunkel wieder verreisen und sich nirgends <lb/>
öffentlich zeigen. Wenn er in den Tagen seines Aufenthaltes in Disentis <lb/>
in das Kloster hinaufgehen will, so soll er hin und zurück den hinteren <lb/>
Weg benützen. Die Freunde des Getöteten sollen weder auf der Gasse <lb/>
noch in Häusern, weder zu Chur noch anderswo im Bund ihn belästigen <lb/>
oder ihm etwas in den Weg legen. Dem Wilhelm Fravi, Vater des Getöteten, <lb/>
… soll er auf den 1. Juli 200 Goldgulden zu zahlen verpflichtet sein. <lb/>
Alle Kosten und Spesen, die von den Herren in dieser Angelegenheit <lb/>
gemacht worden sind, hat er zu tragen. Auch soll er dem Wilhelm zwei <lb/>
weitere Reichsgulden verabfolgen, um so viele Messen für die Seelenruhe <lb/>
des Toten bestellen zu können; auch soll er zum Heil der Seele des <lb/>
Toten verpflichtet sein, einen Sack Salz von 16 Curtaunen den Armen <lb/>
auszuteilen und ein ganzes Jahr bei Tag und Nacht an jedem Samstag <lb/>
ein Licht oder eine brennende Ampel in der Kirche zu erhalten. Überdies <lb/>
… soll er verpflichtet sein, an den Samstagen des ganzen Jahres (in <lb/>
der Kirche) für den Toten beten zu lassen! Dagegen sollen die Freunde <lb/>
des Toten dem Herrn Johann de Florin keinen Schaden und nichts Übles <lb/>
zufügen“ 2). <lb/>
Dieses Urteil, das der romanische Chronist für wichtig genug hält, <lb/>
vollständig wiederzugeben, hat offenbar die Zeitgenossen viel beschäftigt. <lb/>
Wir gewinnen aus demselben den Eindruck, als haben die Freunde und <lb/>
Parteigenossen des einflußreichen de Florin die Rache von seiten der Sippe <lb/>
des Getöteten gefürchtet; das erklärt uns die sofort angestellte Untersuchung <lb/>
und die rasche Besammlung des Gerichtes, das mit dem Zusatz aus vierzig <lb/>
Richtern bestand; das Urteil ist ein Taidingsbrief, der den Erben aufgezwungen <lb/>
… wurde, um die offenbar zahlreiche und mächtige Sippschaft des <lb/>
Getöteten in Schranken zu halten. <lb/>
Wir finden sodann im Urteil das Licht, die Spende zu frommen <lb/>
Zwecken und die Andacht für die Toten erwähnt, wie Paul Frauenstädt <lb/>
1) <lb/>
Bildete die Surselva („Sur igl uaul“), der wir sonst in Gerichtsakten nie <lb/>
begegnen und die auch im späteren Mittelalter nie ein Hochgericht war, in <lb/>
fränkischer Zeit ein eigenes Gericht? <lb/>
2) Cuorta Memoria, S. 225ff. … </body> </text></TEI>