<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> 16 <lb/>
La Passiun da Somvitg <lb/>
drei Bünde in der damaligen Zeit charakteristisch ist, sodass mit Ausnahme <lb/>
des „Heliand“ wohl nirgends das Leiden Christi so echt national <lb/>
dargestellt worden ist; wird ja Christus nach „dem Recht der drei Bünde“ <lb/>
vom „Landrichter“ Diarabias verurteilt! Die bewegten Szenen vor Pilatus <lb/>
und Herodes offenbaren eine scharfe Beobachtung eines politisch geschulten <lb/>
Volkes; der Charakter dieser Führer ist richtig gezeichnet, überall zeigt <lb/>
sich der Einfluss der demokratischen Verfassung, bei der alles, was das <lb/>
öffentliche Leben berührt, einem offenen Sinn und einem vollen Verständnis <lb/>
begegnet. <lb/>
Das ist die echte und rechte Folie unseres Somvixer Passionsspieles, <lb/>
das nicht ein totes Wort auf totem Papier, sondern die Volksseele vor <lb/>
dem Antlitz des Volkes war. Das muss festgehalten werden, sonst wird <lb/>
der Wert des Spieles ebensowenig erkannt, als das Volkslied ohne Melodie <lb/>
voll verständlich werden kann. <lb/>
Zum Schlusse wollen wir versuchen, uns nach den Angaben von <lb/>
Männern und Frauen, die noch dabei waren, ein Bild der Passionsaufführung <lb/>
vom Jahre 1813 zu machen. <lb/>
Während des Winters waren zahlreiche Proben abgehalten worden; die <lb/>
kostbaren Kleider hatte man von „überallher kommen lassen“, und die Damen <lb/>
der adligen Häuser hätten gerne ihre seidenen Kleider für das fromme <lb/>
Spiel zur Verfügung gestellt; Herodes, Pilatus, Annas und Kaiphas seien <lb/>
prächtig gewandet gewesen, während die Apostel verschiedenfarbige Talare <lb/>
(rassas) trugen. Für das Interesse, das die ganze Gemeinde am Spiele <lb/>
nahm, spricht die Tatsache, dass man dem Darsteller des Herrn, Statthalter <lb/>
Sepp, beim Bau eines Stalles in Compadials nur die leichteren <lb/>
Arbeiten zuwies, damit er sich nicht verletze. <lb/>
Die zahlreichen, selbst aus entfernten Tälern schon am Vorabend <lb/>
herbeigeeilten Besucher des Passionsspieles fanden gastliche Aufnahme und <lb/>
unentgeltliche Bewirtung, da man dies als gutes Werk für selbstverständlich <lb/>
hielt. <lb/>
Das Spiel selbst begann auf einer Bühne, die ausserhalb des Dorfes <lb/>
unter dem Hause des Landrichters Nicolaus Maissen auf einer freundlichen <lb/>
Wiese errichtet war 1). <lb/>
Dort war Jesu Abschied von Maria, der auf dem Volke tiefen Eindruck <lb/>
machte, dann der Rat der Synagoge, wie sie Jesum fangen könnten, <lb/>
und endlich das hl. Abendmahl. Von der Bühne weg begab sich Jesus <lb/>
mit seinen Aposteln in einen am sonnigen Abhang gelegenen Garten. <lb/>
Dorthin kamen unter Judas' Führung die Juden in den buntesten Trachten <lb/>
der Kriegsdienste bei fremden Völkern, wo sich je Bündner befunden hatten, <lb/>
1) Vgl. Beilage E. </body> </text></TEI>