<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> Einleitung 15 <lb/>
Caplazi und Vicar Peter Modest de Cajacum, die damals in Somvix eine <lb/>
führende Rolle spielten. <lb/>
Jedenfalls ist der Verfasser des Passionsspieles kein Kapuziner; denn <lb/>
es fehlen alle Merkmale bezüglich Sprache und Darstellung, die auf einen <lb/>
solchen hindeuten könnten. <lb/>
Wenn wir den Eindruck der Gerichtsszenen unseres Stückes kurz <lb/>
und klar bezeichnen wollen, so müssen wir sagen: sie sind ein Strafgericht, <lb/>
wie es im 16. und 17. Jahrhundert von der siegreichen politischen Partei <lb/>
über ihre Gegner so oft gehalten wurde. Sind die Namen und einzelne <lb/>
Aussprüche der Richter auch späteren Apokryphen 1) entnommen, so erheben <lb/>
sich doch vor unseren Augen die wilden, trotzigen Gestalten der rätischen <lb/>
Parteiführer, die in Thusis, Chur und Davos die blutigen Strafgerichte abhielten, <lb/>
Gestalten mit fürchterlicher Realistik gezeichnet: so fordern die <lb/>
Führer den Gerichtsschreiber auf, besonders das ins Protokoll aufzunehmen, <lb/>
was gegen Jesus, aber was zu seinen Gunsten spreche, auszulassen oder zu <lb/>
fälschen. Nichts fürchten dann diese Führer so sehr, wie den Zorn des <lb/>
Volkes, indem sie davor zittern, Jesus könnte das Volk auf seine Seite <lb/>
bringen und sich an seinen Gegnern rächen. <lb/>
In Herodes und Pilatus denkt sich das Volk offenbar grosse „Herren“, <lb/>
ähnlich jenen Gesandten, die so oft in die Geschichte der drei Bünde <lb/>
eingriffen und die noch beim letzten Zehntenstreit eine grosse Rolle spielten. <lb/>
Wie die rätischen Parteiführer durch reiche Jahrgelder den fremden <lb/>
Mächten dienstbar geworden, um die Gunst der Gesandten buhlten und <lb/>
diesen schmeichelten, ersehen wir aus der Haltung der Vertreter der Synagoge <lb/>
vor Pilatus, eine offenbar dem Leben abgelauschte Szene. Da die <lb/>
Abgeordneten zum Bundstag aus den Geschworenen (Richtern) nach dem <lb/>
Amtsalter 2) genommen wurden, hatten sehr viele Bauern Gelegenheit, die <lb/>
fremden Gesandten kennen zu lernen. So begreifen wir die treue Wiedergabe <lb/>
des damaligen politischen Lebens, wenn der Kanzler des Pilatus die <lb/>
Abgeordneten der Synagoge als „votre trés humble sérviteur“ anredet, <lb/>
während Bedelus, der Sprecher der Synagoge, den Schreiber des Pilatus <lb/>
als „gestrengen Herrn Secretarius“ ausspricht. <lb/>
In all' diesen Szenen wogt das reiche politische Leben, das für die <lb/>
1) Codicis Apocryphi Novi Testamenti, Pars tertia edita, curante Jo. Alberto <lb/>
Fabricio, p. 487 — 489. <lb/>
2) A° 1670 16 d' Uost. Aschinavon, ca suenter la roda il mess tuchava <lb/>
en Tujetsch, schei sei en consideratiun a riguard dils dievers veilgs ed jisonzas, <lb/>
ca ilg pli veilg Gerau il quall continuadamen in suenter gliauter ei staus Gerau <lb/>
ed en posses, dei vigni tschentaus mess, schei il Sigr. statr. Martin Soliva <lb/>
vignius ordinaus per mess, essent cel ei staus il pli velg en uffecy a puses <lb/>
Continuadamen senza interrumper. Decrets da Cumin, p. 18. </body> </text></TEI>