Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
Einleitung 13
das bereits ausgeschriebene Lustspiel durch das Passionsspiel zu verdrängen,
an dem bereits schon 6 Wochen geübt worden sei und für das schon viele
Kosten vorausgabt wurden; das Verbot der Aufführung würde grosse Unzufriedenheit
und grössere Unruhe hervorrufen, als die Aufführung des
zur Erbauung des Volks bestimmten Spieles.
Canonicus Henni denkt beim Worte „gemacht“ wohl nicht an die
Autorschaft Thetgiels am Passionsspiel, sondern an die Aufführung unter
Direktion des Pfarrers. Wenn die Passion von Thetgiel dreimal aufgeführt
wurde, so haben wir rückwärts zählend folgende Jahre: 1787,
1777, 1767, unter Voraussetzung ungefähr gleicher Zwischenräume, ist
die letzte Redaktion älter, erhielten wir dann 1757 und 1747, welch
letzteres Jahr unserer obigen Datierung der letzten Redaktion entsprechen
würde.
Wenn das Spiel, wie es uns heute vorliegt in die erste Hälfte des
18. Jahrhunderts fällt, so gehen dessen Anfänge doch wahrscheinlich ins
Mittelalter zurück. Wir glaubten, dieselben mit dem Collegium devotorum
von St. Benedikt bei Somvix in Verbindung bringen zu sollen, über das wir
eine interessante Aufzeichnung aufgefunden haben, wahrscheinlich vom
P. Augustin Stöcklin, dem verdienten Forscher schweizerischer Geschichte
überhaupt und der Geschichte der Klöster Pfäffers und Disentis insbesondere,
welche wir als Beilage D wiedergeben.
Die fromme Vereinigung dort auf sonniger Höhe ob Somvix, an der
ältesten Strasse gelegen, die über den Lukmanier nach Italien führte, hat
vielleicht zum ersten Male das Passionsspiel aufgeführt oder dessen Aufführung
veranlasst. Bei der letzten Aufführung 1813 diente noch das
„Hungertuch“ der Kirche St. Benedikt als Vorhang. Das Institut zerfiel
im Anfange des 16. Jahrhunderts, wo das mit ihm eng verbundene Kloster
Disentis selbst dem Untergange nahe zu sein schien. Das vom Abt Jakob
Bundi restaurierte Kirchlein aber blieb noch lang ein gern besuchter
Wallfahrtsort. Anfangs des 18. Jahrhunderts verständigte sich der Abt
von Disentis mit dem Pfarrer von Somvix über die beiderseitigen Rechte
am St. Benediktskirchlein.
Wenn wir nun an die Frage nach dem Verfasser der letzten Redaktion
herantreten, so verweigert das Spiel selbst jede, auch die leiseste
Andeutung. Immerhin können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass
der Verfasser kein Geistlicher war. Wohl standen die Geistlichen der damaligen
Zeit mitten in den politischen Bewegungen und Kämpfen. Die
entscheidende Rolle, die sie noch im Prozesse über Nicolaus Maissen innehatten,
erklärt uns das Verbot, ihre Stimme auf der Landsgemeinde zu
zählen oder auf Einladung des Weibels ihre Stimme mit denen der weltlichen
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