Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
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La Passiun da Somvitg
und den siegreichen Kampf in Disentis, noch den Unglückstag von Reichenau 1).
Wie trotz der Herrschaft des gewaltigen Korsen, sobald die Grenadiere
der Republik das Vorderrheintal … verlassen hatten, das alte Wesen wieder
unbedingt zur Geltung kam und die alten Sitten und Gebräuche wiederkehrten,
so war auch das Passionsspiel von 1813 wahrscheinlich ohne jede
Abänderung aufgeführt worden, ganz wie zu jener Zeit, da noch die Ambassadoren
… in Chur hausten und die Männer der drei Bünde Verträge mit
„ihrem Freunde“, dem Könige von Frankreich schlossen.
Nicht belanglos für die Zeitbestimmung der letzten Redaktion der
Passion sind die Angaben, die Pfarrer und Canonicus Michael Anton
Henni an die bischöfliche Amtsverwaltung … in Chur macht.
Am 16. März 1801 hatte der provisorische Präfekturrat in Graubünden
die bischöfliche Verwaltung ersucht, dem Pfarrer von Somvix, Canonicus
Henni, „der einen ausserordentlichen Kreutzgang und Umzug in seiner
Pfarrey angesagt und die üblichen Einladungscircularien an die benachbarten
Gemeinden seines Kirchensprengels erlassen haben“ diesen Umzug
bis auf weiteres zu untersagen, da eine so grosse Menschenansammlung in
jener Zeit die öffentliche Ruhe zu gefährden schien. Noch am gleichen
Tage stellte die bischöfliche Amtsverwaltung … nach Wunsch des Präfekturrats
… demselben ein offenes Schreiben an den Pfarrer von Somvix zu, ganz
im Sinne des Präfekturrats. … Auf gemachte Gegenvorstellungen hin wurde
der Gemeinde die Aufführung der Passion gestattet, allein unter der Bedingung,
die einem Verbote gleichkam, nämlich dass keine andere Gemeinde
dazu eingeladen werde 2). So wurde die Aufführung verschoben, bis
die Macht des grossen Protektors auf den russischen Eisfeldern gebrochen
und die „souveräne Gemeinde“ wieder hergestellt war.
In einem Schreiben vom 22. März 1801 berichtet Canonicus Henni
der bischöflichen Verwaltung: „Es ist bekant, dass mein würdiger Vorfahrer
Herr Vicar Thietgiel benanten Kreiz und Umgang bis das dritte Mahl
in meiner Pfarr vorgenommen habe. Mein Pfarr von dieser heiligen
Religionsübung beseelt, hatte mich öfters von 13 Jahren her angefragt,
gebetten, ja baldt (ge)gedrungen in meines herrn Vorfahrers staffen zu
trotten, und den von Ihme gemachten Kreiz und (und) umgang zu erneürn.
von der grossen mühe abgessreckt ]:ich muss es bekennen:] weigerte mich
den so häufigen Verlangen zu entsprechen bis aniezo“
Der Pfarrer erzählt dann weiter, wie die Jugend im letzten Winter
ein Fastnachtsspiel habe aufführen wollen und er sich entschlossen habe,
1) Der Krieg des Bündner Oberlandes gegen die Franzosen, historische
Monographie von Caspar
Decurtins. …
2) Akten im bischöflichen Archiv.
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