Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
122
Einleitung
der Stammsitz jenes Helden und Führers in der Calvenschlacht, des ruhmvollen
Lumarin; es fanden sich viele alte Waffen vor, Schwerter für einfachen
und doppelten Griff, Hellebarden und Morgensterne. Die Zuschauer
zahlten für die Plätze nicht, man ging nur während des Spieles mit einem
Teller herum, wo jeder nach Belieben etwas opferte; meistens waren es,
wie Canonicus Arpagaus versicherte, Bündner - Bluzger, später 2-, … 5- und
10- Rappenstücke. Bei der Aufführung von 1862 spielte zum Beginn die
Blechmusik von Rhazüns. Die Rechnung, welche Pfarrer Arpagaus und
Gemeindepräsident J. Christ Casanova über Einnahmen und Ausgaben des
Spieles von 1862 ablegten, wirft ein interessantes Licht auf die bescheidenen
Anforderungen, die das Volk des Oberlandes damals an die Bühnentechnik
stellte 1). Um so lebhafter war die schöpferische Phantasie der Zuschauer.
Es waren ungefähr 130 — 150 Personen am Spiel, das fünf Stunden dauerte,
beteiligt. Der Zug nach dem Calvarienberg, bei dem die Musik von Rhazüns
wohl eher störend voranzog, machte auf die zahlreichen Zuschauer einen
tiefen Eindruck; wie der Redaktor der Gasetta Romontscha, Professor
Plazidus Condrau, erzählt, weinten viele von den 5000 aus allen Ständen
und jedem Alter, vom Kinde bis zum Greise, Tränen der Rührung über
die Darstellung der Leiden unseres Herrn und verfolgten mit frommem
Sinn den Leidensweg 2). Das Volk an den Quellen des Rheines sprach mit
religiöser Begeisterung von der „schönen Passion von Lumbrein“. — Den
Besuchern des Passionsspieles gewährten die Lumbreiner die weitgehendste
Gastfreundschaft.
Die Darstellung des Passionsspieles vom Jahre 1882 geschah auf
Grund des vom Ortspfarrer Leonhard Casanova bearbeiteten neuen Textes,
der vom früheren bedeutend abweicht und mit geschickter Benutzung des
Oberammergauer Textes das lyrische Element ins Spiel hineinträgt.
Unter der Leitung des kunstsinnigen Pfarrers, auf den mit Tannenreis
… geschmückten Bühnen, mitten in der grossartigen Gebirgslandschaft
wurde die Passion aufgeführt, an der sich alt und jung beteiligte. Professor
Dr. Hörmann, der diese Aufführung in der Zeitschrift Über Land und
Meer beschreibt, sagt zum Schluss: „Wir verliessen den Platz, um es zu
gestehen, mit bewegtem Herzen und einem Gefühle hoher Achtung vor der
ebenso religiösen als intelligenten Bevölkerung von Lumbrein, die in der
szenischen Darstellung jenes hohen Gegenstandes der Passion Christi nicht
unterstützt von künstlerischer Seite, aber getragen von innerer Hingabe an
die Sache durch die daraus hervorquellende Wärme des Vortrages und ausgestattet
1) Beilage F.
2) Bd. II, p. 589 ― 592.
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