<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> Einleitung 11 <lb/>
und freudig aufgenommen haben. Da diese Bezeichnung weder vorher <lb/>
noch nachher gebräuchlich war, dient sie als Wegweiser zur Zeitbestimmung <lb/>
der letzten Redaktion unseres Passionsspieles. <lb/>
Noch vor etwa 40 Jahren hörten wir aus dem Munde alter Männer <lb/>
und Frauen, die vom Somvixer Passionsspiele erzählten, immer wieder die <lb/>
Beteuerung, die rachsüchtigen Gegner hätten als Darsteller der Juden den <lb/>
Darsteller des Herrn so misshandelt, dass dieser infolge der erhaltenen <lb/>
„unredlichen Schläge“ (malreclias fridas) bald gestorben sei; deshalb erschien <lb/>
in den Quatembernächten auf dem Hügel Tresch ein Licht, wo das <lb/>
Kreuz gestanden hat. Wir bezogen diese Sage auf den Darsteller des <lb/>
Herrn bei der letzten Aufführung der Passion. Da dieser aber Georg <lb/>
Joseph Cajacob von Compadials - Somvix, — Statthalter „Sepp“, wie <lb/>
er vom Volke genannt wurde — am 8. April 1770 geboren, am 1. Juni <lb/>
1859 starb, kann er nicht der Darsteller des Herrn gewesen sein, von dem <lb/>
die Sage zu erzählen weiss. Die Männer und Frauen, die uns von jenem <lb/>
Darsteller erzählten, sprachen aber wie von einem Ereignis, das sie noch <lb/>
damals offenbar seelisch bewegte. <lb/>
Eine Tradition über das Lumbreiner Passionsspiel erzählt, nach der <lb/>
Aufführung des Spieles 1720 hätten auch die Somvixer eine Passion aufgeführt, <lb/>
und zwar „viel stolzer“. Der uns vorliegende Text würde den <lb/>
Jahren 1740 — 1750 entsprechen, indem die Anspielung auf religiöse und <lb/>
politische Fragen und Verhältnisse den Zuständen in der Cadi in der <lb/>
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entspricht. Die Eingabe der führenden <lb/>
Männer in den Cadi an die Kompromissrichter im Zehntenstreit, … datiert <lb/>
vom 5. März 1737 1), die Klagen der Landschaft gegen die Abtei Disentis <lb/>
enthaltend, scheint uns im Somvixer Passionsspiel ein Echo gefunden zu <lb/>
haben, das damals deutlich und scharf genug tönte, so harmlos uns heute <lb/>
die Anspielungen vorkommen mögen. Wenn wir annehmen, dass man <lb/>
den Text unverändert bis 1813 bewahrt hat, so erklärt sich die sonst <lb/>
befremdende Tatsache, dass wir im Text gar keine Anspielung finden auf die <lb/>
Nichtwiederwahl der Patres Kapuziner als Pfarrer und Helfer 2), auf die brutale <lb/>
Ausweisung derselben aus dem Pfarrhaus, auf Ereignisse, die so tief die <lb/>
Gemeinde Somvix aufregten und die Volksseele noch im 19. Jahrhundert <lb/>
beschäftigten. Ebenso findet sich keine Anspielung auf die Standesversammlung <lb/>
und die Strafgerichte des Jahres 1793, die im obern Oberlande <lb/>
so grosse Hoffnungen geweckt hatten 3), noch auf den Einfall der Franzosen <lb/>
1) Im bischöflichen Archiv. <lb/>
2) Beilage C. <lb/>
3) Igl Ischi II: C. Decurtins, Landrichter Theodor de Castelberg <lb/>
p. 20 — 27. </body> </text></TEI>