Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
Einleitung 119
… worden. Im 19. Jahrhundert ist das Passionsspiel nachweisbar von
20 zu 20 Jahren gegeben worden. Nehmen wir an, man habe im 18. Jahrhundert
den gleichen Zwischenraum eingehalten, so wäre das Passionsspiel
in den Jahren 1722, 1742, 1762, 1782, 1802, 1822, 1842 und 1862
aufgeführt worden.
Über das Verhältnis des Lumbreiner zum Somvixer Passionsspiel
hat sich im Lumbrein eine sehr bestimmte Überlieferung erhalten: die
Somvixer haben nach dem Beispiel der Lumbreiner ein Passionsspiel aufgeführt,
„nur viel stolzer“. Bei der Aufführung der Passiun hätten die
Somvixer den Heiland so misshandelt, dass der Darsteller nach kurzer Zeit
gestorben. Man sieht, wie das Schicksal des Darstellers des Herrn bei der
Somvixer Passion das Volk des Lugnezertals und der Cadi so tief ergriffen
hat, dass die Erinnerung daran noch heute im Volke weiterlebt. Auf
welche Aufführung des Spieles von Somvix diese Sage sich bezieht, kann
heute nicht mehr genau bestimmt werden.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts brachte man die Aufführung des
Lumbreiner Passionsspieles mit Mitgliedern der Familie Collenberg in Verbindung,
da sie staatliche Anstellungen in Paris hatten und der Heimatgemeinde
… wiederholt grosse Dienste leisteten. Das erklärt uns, wie der
spätere Volksglaube die Abfassung des Lumbreiner Passionsspieles einem
Collenberg zuschreibt, der in Paris wohnte und das Original von einer
Tochter des Königs von Frankreich erhalten habe. Hier sind wir einmal
in der glücklichen Lage, an der Hand sicherer Daten die Sage in ihrer
Angabe prüfen zu können. Im Anhang zu seiner Bündnergeschichte 1) gibt
Joh. Caspar Collenberg eine Geschichte seiner Familie. Nach ihm ist
zuerst Padrut Anton Collenberg, geb. zu Lumbrein am 29. Juni 1729,
im September 1741 nach Lyon gegangen, wo er in einen Dienst trat.
Nach siebenjähriger Abwesenheit kam Padrut auf kurze Zeit nach Lumbrein,
um mit seinem Bruder Valentin wieder nach Lyon zurückzukehren. Von
Lyon ging Padrut später nach Paris, wo er in den Dienst der Familie
Condé trat. Der jüngere Bruder Joh. Caspar Collenberg zog gleichfalls
nach Lyon und später nach Paris, von wo aus er mit einem vornehmen
Herrn nach der Ile de France ging, welche Reise er in romanischer Sprache
beschrieb. Nach Paris zurückgekehrt, heiratete er Philiberte Veré, die in
Ludovica, Tochter Ludwigs XV. und Carmeliterin zu St. Denis eine Beschützerin
hatte. Durch die Vermittlung derselben erhielt Joh. Caspar
Collenberg eine staatliche Anstellung und die Prinzessin erwies dem Ehepaar
1) Bd. II, p. XVIII ― XIX, Beilage C, D, E, 3 Briefe von der Hand Collenbergs,
als er an die Bruderschaft und Pfarrkirche von Lumbrein verschiedene
Geschenke machte. Im Pfarrarchiv Lumbrein.
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