<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> VIII Einleitung. <lb/>
… hier nicht selten schwer zu ziehen ist und es mag sein, dass dieses <lb/>
oder jenes Lied aufgenommen wurde, das kein Volkslied im strengen <lb/>
Sinne ist, obwohl wir bestrebt waren, nach dem oben angegebenen Gesichtspunkt <lb/>
… aufzunehmen und auszuscheiden, weshalb wir auch eine grössere <lb/>
Anzahl Lieder, die in früheren Sammlungen als Volkslieder aufgenommen <lb/>
wurden, fallen liessen. Fragt der freundliche Leser nach dem Eigenen <lb/>
und Charakteristischen am ladinischen Volkslied, so wollen wir eine kurze <lb/>
Antwort zu geben versuchen. Der Charakter der Rätoromanen, die an der <lb/>
Wasser- und Völkerscheide sich erhalten haben — ein Purpurstück des <lb/>
römischen Kaisermantels neben dem germanischen Speer — hat im Volksliede <lb/>
… deutsche Gemütstiefe mit dem lateinischen Sinn für Mass und Schönheit <lb/>
… zu verbinden gestrebt, so dass das romanische Volkslied zwei Vorzüge <lb/>
aufweist: tiefes Gefühl und harmonische, vornehme Form. Gerade bei <lb/>
den Liebesliedern, wo dem Spotte sein Recht wird und heikle Situationen <lb/>
zur Sprache kommen, zeigt sich ein ausgesprochener Sinn für das Schöne <lb/>
und Schickliche. <lb/>
Aus den historischen Liedern spricht die Eigenart des rätoromanischen <lb/>
… Volkes, das Selbstbewusstsein und trotzige Kraftgefühl, das den <lb/>
Männern der III Bünde eigen war, das auf dem ruhmreichen Schlachtfelde der <lb/>
Kalvenklause, wie auf Italiens Blachfeldern gewachsen war und die blutigen <lb/>
Befreiungskämpfe gegen Baldirons Scharen zu Ende führen liess. Die <lb/>
grosse, ruhmreiche Geschichte, die noch aus den Briefen des Peter Planta, <lb/>
aus den selbstbewussten Worten über die Vereinigung mit der jungen <lb/>
Eidgenossenschaft herausklingt, erklärt uns den starken Zug, der die <lb/>
rätischen Fahnen und das rätische Lied bewegte. <lb/>
Wenn Flugi meint, die puritanische Richtung der Reformation im <lb/>
Engadin hätte den alten Volksliedern, die verpönt wurden, das Los der <lb/>
Vergessenheit zugeteilt, so wird diese Meinung durch die Zusammen- und <lb/>
Gegenüberstellung sämtlicher rätoromanischen Volkslieder nicht bestätigt. <lb/>
Gerade die besten erzählenden Lieder des katholischen Oberlandes finden <lb/>
sich auch im Engadin, die ältesten Liebeslieder finden sich in surselvischen … <lb/>
und ladinischen Versionen, so dass der Einfluss der Reformation auf das <lb/>
Volkslied als ein sehr geringer zu bezeichnen ist. <lb/>
Zu den ältesten Volksliedern gehören jene, die ursprünglich bei <lb/>
Kultushandlungen gesungen wurden; sie verherrlichen Erscheinungen und <lb/>
Kräfte der Natur, die als persönliche Wesen aufgefasst und verehrt wurden. <lb/>
Die Feier des beginnenden Lenzes, des wiedererwachten Vegetationsdämons <lb/>
stand auch im Inntal im ungeschriebenen Kalender des Volkes. Wie aus <lb/>
einem Kinderspruche „mantinada“ aus dem Bergell erhellt, ward der Einzug <lb/>
… der wärmeren Jahreszeit und das Erwachen der Vegetation mit Spiel </body> </text></TEI>