241 Nachwort.
Während die geschriebene Litteratur des Sur- und Subselvischen —
meistens Übersetzungen — einen ausgesprochen exotischen Charakter trägt,
erweist sich die mündlich überlieferte als in Geist und Form durchaus
national. …
Dieser im besten Sinne volksthümlichen Litteratur glaubten wir einen
ganzen Band unserer Chrestomathie einräumen zu sollen, und zwar so, dass
wir in der einen Lieferung Märchen, Novelle, Sage, Sprichwort,
Landwirtschaftsregel, Rätsel, Kinderlied und Kinderspiel,
Volksbrauch, Spruch und Zauberspruch vereinten, die zweite
aber dem Volkslied vorbehielten.
Es ist das Beste von dem, was sich dem Herausgeber als Frucht einer
mehr als zwanzigjährigen eifrigen Sammlerthätigkeit ergeben hat. Mit
freudigem Danke sei hier all der zahlreichen Frauen und Männer gedacht,
die ihn dabei mit stets sich gleich bleibendem warmem Interesse und nie
ermüdender Ausdauer unterstützt haben.
Nicht Alles freilich, was hier dem Leser geboten wird, ist bis zur Stunde
ungedruckt geblieben. Zerstreut haben wir da und dort in romanistischen
Zeitschriften bereits einen Teil der Märchen herausgegeben, und von den
Sprichwörtern finden sich die Hälfte, von den Rätseln zweiundvierzig
schon in anderen Sammlungen. Alles übrige aber erscheint hier
zum ersten Male.
Während die rätischen Gelehrten, die sich bis jetzt mit dem rätoromanischen
… Folklore beschäftigt haben, überall deutsche Mythologie erkennen
… wollten, beweist unsere Sammlung, dass die Bewohner Rätiens mit
der Sprache auch vielfach Glaube und Brauch des herrschenden Römervolkes
… und seiner — gerade in Rätien ja sehr zahlreichen — kriegerischen
Sendlinge angenommen haben. Um nur einige wenige Beispiele anzuführen:
die geheimnisvolle Pun de Sontgia Gada, die im Kinderlied und
Kinderspruch eine so grosse Rolle spielt, die Sibilla und Cilgia in den
Romanische Forschungen IX. 16
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