<TEI> <teiHeader> <fileDesc> <titleStmt> <title type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition>Digitalisierte Ausgabe</edition> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">1</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Köln</pubPlace> <publisher> <orgName>Sprachliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln</orgName> <email>buero@spinfo.uni-koeln.de</email> <address> <addrLine>Albertus-Magnus-Platz</addrLine> <addrLine>50923 Köln</addrLine> </address> </publisher> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/"> <p>Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.</p> </licence> </availability> </publicationStmt> <sourceDesc> <bibl>Decurtins, Caspar: Rätoromanische Chrestomathie</bibl> <biblFull> <titleStmt> <title level="m" type="main">Rätoromanische Chrestomathie</title> <author> <persName> <surname>Decurtins</surname> <forename>Caspar</forename> </persName> </author> </titleStmt> <editionStmt> <edition n="1"/> </editionStmt> <extent> <measure type="pages">7260</measure> </extent> <publicationStmt> <pubPlace>Erlangen</pubPlace> <publisher> <name>Vollmöller, Karl</name> </publisher> </publicationStmt> </biblFull> <msDesc> <msIdentifier> <repository>Digizeitschriften.de</repository> </msIdentifier> <physDesc> <typeDesc> <p>Chrestomatie</p> </typeDesc> </physDesc> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <p>Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 kodiert.</p> </encodingDesc> <profileDesc> <langUsage> <language>Rhaeto Romanic</language> </langUsage> <textClass></textClass> </profileDesc> </teiHeader> <text> <body> Einleitung 117 <lb/>
gewinnen zu können. Auf dem engbegrenzten Felde hatten zwei Jahrhunderte <lb/>
lang die üppigen Ranken der Sage den geschichtlichen Stamm <lb/>
umsponnen, sodass es wohl interessant, aber nicht immer leicht war, Wahrheit <lb/>
und Dichtung zu trennen. <lb/>
Die ersten Jahre des 17. Jahrhunderts hatten über das Bündner <lb/>
Oberland schwere Not hereingeführt. Nach einem grimmig kalten Frühling <lb/>
war der Brachmonat des Jahres 1601 von einem bösen Regen- und Schneewetter <lb/>
begleitet, sodass in den Alpen viel Rindvieh zugrunde ging. Die <lb/>
Missernte aller Früchte führte eine harte Teuerung herbei. Auch der <lb/>
Frühling des folgenden Jahres war von starken Frösten und Reifen heimgesucht. <lb/>
Am 5. August zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags fiel ein böser <lb/>
Hagel über das Lugnezertal 1). Das ungestüme Wetter, wie die unheimliche <lb/>
Erinnerung an die Pest, die am Ende des 16. Jahrhunderts das Tal <lb/>
in Trauer und Schrecken versetzt hatte, bewogen die Gemeinde Lumbrein <lb/>
am 20. Oktober 1602, die Feiertage des hl. Rochus und der hl. Anna, <lb/>
Patrone gegen die Pest, „wie einen Sonntag aufzunehmen“ 2). Zugleich <lb/>
baute die Gemeinde ex voto die St. Rochus - Kapelle, die am 26. Juli 1630 <lb/>
von Josef Mohr, Bischof von Chur, eingeweiht wurde. <lb/>
Die Überlieferung bringt das Passionsspiel mit jenen frommen Stiftungen <lb/>
in Verbindung, die zur Abwendung der Pest stattfanden. Diese Annahme <lb/>
lässt sich kaum ohne weiteres in das Reich der Dichtung verweisen. Auffällig <lb/>
ist, dass Balzer Alig, der Pfarrer der nächstgelegenen Gemeinde <lb/>
Vrin, in der ältesten uns bekannten Sammlung rätoromanischer Kirchenlieder 3) <lb/>
ein Lied gibt, wie unser Herr vor dem Leiden von seiner Mutter Abschied <lb/>
nimmt. Das Lied könnte einem Passionsspiel entnommen sein. Leider <lb/>
fehlt uns jede urkundliche Nachricht über eine Aufführung des Lumbreiner <lb/>
Passionsspieles im 17. Jahrhundert. <lb/>
In einer Urkunde, datiert: Mantua, 26. Nov. 1729, erteilte Frater <lb/>
Angelus Maria, apostolischer Generalvikar des Servitenordens, dem Pfarrer <lb/>
von Lumbrein die Bewilligung, in der dortigen Pfarrkirche die Bruderschaft <lb/>
der sieben Schmerzen Mariä kanonisch zu errichten. Es wurde <lb/>
daselbst ein Altar der sieben Schmerzen Mariä erbaut und die Bruderschaft <lb/>
eingeführt. <lb/>
Unter den Heiligen des Servitenordens nimmt Philipp Benitius, der <lb/>
1) <lb/>
Hans Ardüser' s Rätische Chronik herausgeg. von J. Bott, 1877, p. 179. <lb/>
2) <lb/>
Beilage A. vgl. Registrum confratrum et sororum venerabilis fraternitatis <lb/>
… sanctæ annæ in opido Ilanz und das Anniversarium S. Annæ quotannis <lb/>
circa ilius festum pro animabus huius fundatorum peragendum. Im Gemeindearchiv <lb/>
Ilanz und Somvix. <lb/>
3) <lb/>
Enzacontas Canzuns spiritualas Squitschadas a Cuera si Cuort da Gion <lb/>
Gieri Barbisch, 1674, Bd. I, p. 772. </body> </text></TEI>