Band: XIII

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In Band XIII liegen die Seitenzahlen zwischen 7 und 246.
Einleitung 7
Die Stürme dieser Zeit hatten sich noch nicht verzogen, als ein
neuer Streit ausbrach, der das Volk der Cadi aufs höchste erregte. Als die
Familie de Latour bei der Landammannswahl des Jahres 1730 im Kandidaten
Ludwig de Latour dem Landammann Conradin Huonder gegenüber unterlegen,
verweigerte Brigels, die Stammgemeinde der Latour, dem Kloster
Disentís den Zehnten, der in und von allen Gemeinden der Talschaft
Disentís geleistet wurde. Da der Abt, wie es das Recht des grauen
Bundes forderte, den Streit vor ein unparteiisches Gericht brachte, wollten
die Gemeinden Somvix, Truns und Tavetsch, die sich der Gemeinde Brigels
angeschlossen hatten, dieses Gericht nicht anerkennen. Mistral Huonder wurde,
da man ihn dem Kloster gegenüber nicht die nötige Tatkraft und Entschlossenheit
zuerkannte, seines Amtes entsetzt und erhielt in Ludwig de Latour
einen Nachfolger. Weil der Bundstag des grauen Bundes dem Statthalter
Capeder von Medels als Vertreter des Hochgerichtes am 14. September
1635 keinen Eintritt gewähren wollte, wohl aber dem Amtslandammann Ulrich
Monn von Disentis, als dem Vertreter aus einer Gemeinde, die am Zehntenstreit
nicht beteiligt war, so beriefen die Geschworenen aus den renitenden
Gemeinden auf den 22. September 1635 eine ausserordentliche Landsgemeinde,
die dann den Landammann absetzte, weil er an der Seite des
vom Bundstag aufgedrängten Vertreters gesessen hatte; an seine Stelle
wählte die Landsgemeinde den Säckelmeister Hans Georg Beer von Tavetsch.
Auf einer späteren, ausserordentlichen Landsgemeinde, 25. Oktober des
gleichen Jahres, wurde dann dem Landrichter Castelberg, dem Landammann
Ulrich Monn und dem Statthalter Christ Castelberg „das Landtmannrecht“
abgesprochen. Das ganze Vorgehen mit den ausserordentlichen Landsgemeinden
und den leidenschaftlichen Verfolgungen erinnert uns an die
böse Zeit der Strafgerichte. Ein eigenes, vom grauen Bunde bestelltes
Gericht erklärte die Beschlüsse und Wahlen der ausserordentlichen Landsgemeinden
für null und nichtig, verordnete Wiedereinsetzung der ordentlichen
Regierung, des Landammans und der Richter in ihre Funktionen
und übertrug dem Hochgerichte die Kosten (9000 Gulden) der langen
Verhandlungen. Erst nach einem langen leidenschaftlich geführten Streit,
in dem der französische und österreichische Gesandte eine hervorragende
Rolle spielten, fiel im Jahre 1736 ein den Streit beendender Schiedsspruch
durch den Fürstbischof von Chur und den französischen Gesandten 1).
Drama allen zur Lesung empfehlen, die sich um die Cadi und ihre Geschichte
interessieren.
1) Da das Archiv des Hochgerichtes im Jahre 1799 ein Raub der Flammen
wurde, ist das Quellenmaterial zur Darstellung des Zehntenstreites ein beschränktes
geworden. Abgesehen von den Akten im bischöflichen Archiv, den Berichten
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